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Auf dem Behandlungstisch der Tierarztpraxis
liegt eine kleine Handvoll Hundeelend. Lola, ein Mischlingswelpe, ist
noch keine sechs Wochen alt. Ihr Fell ist stumpf, der kleine Bauch
aufgebläht, das Hündchen ist apathisch und jammert leise. „Seit
vorgestern hat sie Durchfall", sagt die Besitzerin, die Augen voller
Tränen. „Und sie wird immer schwächer." Die Tierärztin schüttelt den
Kopf. Es gibt nicht viel, was sie tun kann. Lola ist
höchstwahrscheinlich an Parvovirose erkrankt, einer aggressiven
Darminfektion. Neun von zehn Welpen, die daran erkranken, sterben. Die
wenigen Überlebenden bekommt man nur durch intensive medizinische
Betreuung über den Berg. Tage- bis Wochenlange künstliche Ernährung,
Infusionen, Antibiotika, Klinikaufenthalte. Die Behandlungskosten
steigen schnell auf 800 Euro und darüber hinaus.
Für Lola kommt jede Hilfe zu spät. Sie stirbt noch am selben Tag. So wie
ihr ergeht es täglich Hunderten von Welpen, die aus dubiosen Quellen aus
dem Ausland nach Deutschland geschmuggelt werden. Hier angekommen,
werden sie meist über das Internet oder Kleinanzeigen zu Billigpreisen
an den Mann gebracht.
Auch Lolas Frauchen hatte den Welpen über eine Annonce erhalten. Ein
angeblicher Hobbyzüchter hatte eine ganze Reihe Welpen im Angebot.
Angeblich waren die Tiere entwurmt und geimpft. Papiere gab es nicht.
Jeder Hund kostete nur 40 Euro.
Schon seit Jahren kämpfen Behörden und Tierschützer gegen das Elend der
Osteuropa Welpen. Geschätzte 100.000 Welpen finden jedes Jahr illegal
ihren Weg nach Deutschland.
Hinter dem Welpenhandel stecken skrupellose Geschäftemacher, die im
Ausland Hundewelpen im großen Stil in so genannten Puppy Mills
(Welpenmühlen) „produzieren“. Unter katastrophalen Umständen vegetieren
die Mutterhündinnen vor sich hin, die Welpen werden im Alter von nur
vier oder fünf Wochen von ihnen weggerissen und über Deutschland,
Österreich, Italien und die Schweiz weiter bis nach Belgien, Frankreich
und die Niederlande geschleust. Sogar aus Weißrussland finden
mittlerweile Transporte nach Westeuropa statt. Meistens sitzen die
Hundebabys im Kofferraum eines Autos, ohne Futter, ohne Wasser, oft
stunden- oder tagelang bei Hitze oder Kälte. Schon diesen Transport
übersteht die Hälfte der Tiere nicht. Im Bestimmungsland kann man sie
über das Internet oder Kleinanzeigen kaufen, aber auch auf Märkten,
Tierbörsen oder sogar an Autobahnraststätten, einfach aus dem Kofferraum
heraus.
In Deutschland geben sich viele Händler als „Hobbyzüchter" aus. Die
meisten haben abenteuerliche Geschichten auf Lager, weshalb die Welpen
ohne Mutter sind: Die ist mit den Kindern spazieren, sie zu bissig,
darum musste ich sie weg sperren, die wurde vom Auto überfahren, meine
Ex-Frau hat sie einfach mitgenommen, die ist bei meinem Bekannten in
wer-weiß-wo- auf dem Bauernhof. Die Welpen sind meist weder geimpft noch
entwurmt und viele schleppen tödliche Viren mit sich herum, gegen die
sie keine Chance haben. Sobald der letzte Schutz durch die Abwehrstoffe
in der Muttermilch aufgebraucht ist, werden sie krank. Und nur wenige
überleben.
Viele der Billigwelpen haben einen ausländischen Impfpass: Polen,
Tschechien, Ungarn sind häufig vertreten. Auch für ausländische Pässe
haben die Händler eine gute Ausrede: Dort seien Impfungen billiger. Wer
aber ein ungeimpftes Tier über die Grenze bringt, macht sich strafbar.
Kein seriöser Züchter oder Tierarzt würde dieses Risiko eingehen. Die
meisten dieser Pässe sind blanko ausgestellt, es fehlt sowohl der
Hinweis auf den Züchter als auch auf das Tier selbst. Meist findet sich
nur ein kleiner Aufkleber und eine unleserliche Unterschrift. Kathrin
Hansen von der Tierrechtsorganisation PETA berichtet von einem Fall, in
dem die Täuschung noch dreister war: In dem Impfbuch war ein
ausländischer Aufkleber. Untersuchungen ergaben, dass es sich dabei nur
um steriles Wasser gehandelt hatte. „Die Welpen, auf die wir bei dieser
Ermittlung gestoßen sind, war allesamt ungeimpft, verwurmt und viel zu
jung um abgegeben zu werden:' Beim Besuch auf einer Hundefarm in Ungarn
wurde ihr von einem Vermehrer ein Wurf Schäferhundwelpen angeboten,
angeblich fünf Wochen alt. „Die Kleinen hatten kaum die Augen offen",
erzählt die Tierschützerin. Älter als drei Wochen konnten sie kaum
gewesen sein. Sie jetzt schon von der Mutter wegzunehmen, wäre einem
Todesurteil gleich gekommen. Frau Hansen hätte den Wurf sofort für 300
Euro mitnehmen können.
Die Käufer der Billigwelpen werden in der Regel von zwei Motiven
angetrieben: Mitleid, wenn das kleine Pelzknäuel auf sie zugetappst
kommt, oder der scheinbar günstige Preis. Ein Mischlingswelpe für 30
Euro, ein Rassehund für unter 500 Euro. Da kann kein seriöser Züchter
mithalten. Besonders in der Urlaubszeit laufen die Geschäfte der
Hundehändler wieder auf Hochtouren. „Rund um den Balaton schießen die
Hundehändler in den Sommerferien wie Pilze aus dem Boden", berichtet
Kathrin Hansen. Viele Urlauber lassen sich in der Ferienlaune zu
Spontankäufen verführen. Zu Hause gehen dann die Probleme los. Selbst
wenn der kleine Hund nicht krank wird, haben die neuen Besitzer vieles
nicht bedacht: Das Tier ist nicht stubenrein und muss erzogen werden.
Wer passt auf es auf, wenn die Eltern arbeiten und die Kinder in der
Schule sind? Und wohin mit ihm, wenn der nächste Urlaub ansteht? „Ein
Hundekauf muss gut überlegt sein", warnt die Tierschützerin Kathrin
Hansen. Schnellschüsse am Urlaubsort sind in den seltensten Fällen ein
guter Beginn für eine Partnerschaft zwischen Mensch und Tier
Tierschutzvereine zu Hause sind statt dessen eine gute Anlaufstation,
wenn man sich für einen Hund interessiert. Problematisch wird es aber
wieder, wenn man sich an einen unbekannten Verein wendet, der sich nach
eigener Aussage darauf spezialisiert, nur solche Billigwelpen zu
„retten". Hinter solchen Unternehmen kann sich ein versteckter
Welpenhandel verbergen, der insgeheim mit den Vermehrern gemeinsame
Sache macht. Darum sollte man lieber zu einem anerkannten
Tierschutzverein gehen und sich vielleicht sogar für ein älteres Tier
entscheiden, das aus widrigen Umständen dort gelandet ist. Natürlich
bekommt man auch dort keinen Hund für 30 Euro. Aber die Schutzgebühr,
die von Tierschutzvereinen erhoben wird, fließt in jedem Fall einem
guten Zweck zu und nicht in die Taschen der Welpen-Mafia.
Dass ein Rassewelpe bei einem zertifizierten Züchter manchmal über
1.000 Euro kostet, hat seinen Grund. Es sind einfach die Kosten, die bei
der Aufzucht eines kleinen Welpen anfallen - vorausgesetzt, man macht es
richtig. Viele Züchter fahren Hunderte von Kilometern um einen
geeigneten Zuchtpartner für ihr Tier zu finden. Dazu kommen
Deckgebühren, Gesundheitsvorsorge für Mutterhündin und Welpen
(Tierarztkosten, Impfungen, Entwurmungen, Vitaminpräparate),
hochwertiges Futter und eine gute Unterbringung. Kein Züchter gibt seine
Welpen ab, bevor sie zehn oder zwölf Wochen alt sind. Damit füttert er
sie doppelt oder dreimal so lange durch wie die armen Würmchen, die aus
den Vermehrungslagern im Ausland stammen. Dafür erhält man ein gesundes,
geimpftes Tier, das keine Parasiten oder Viren mit sich herumträgt und
das durch eine Aufzucht mit Menschen- und Hundekontakt richtig geprägt
und leicht zu erziehen ist.
Aber auch ein deutscher Impfpass und eine deutsche Chipnummer sind
keine Garantie, dass es sich um einen seriösen Züchter handelt. Eine
beliebte Masche ist es, mit einem Bündel vorgefertigter Pässe und Chips
nach Polen oder Ungarn zu fahren und sich dort mit Billigwelpen
einzudecken. Mit Hilfe der Pässe und Chips werden sie auf „deutsch"
getrimmt und über die Grenze gebracht. „Am sichersten ist man bei einem
Züchter aufgehoben, der Mitglied im VDH (Verband Deutsches Hundewesen)
ist"; erklärt Frau Hansen. Man sollte auch darauf achten, dass nicht
mehr als ein oder zwei Rassen gezüchtet werden und dass die Tiere einen
gepflegten, gesunden Eindruck machen. Wenn Sie den Verdacht haben, dass
es sich um Welpen aus Osteuropa handeln könnte, treten Sie von dem Kauf
zurück. Und ganz wichtig: Tätigen Sie keine Mitleidskäufe. Jeder Welpe,
der aus den Händen der Hunde-Mafia sofort ein Zuhause findet,
verschlimmert das Leid seiner Artgenossen.
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